Il Figliuol Prodigo
Der Verlorne Sohne
Oratorio mit der Music auff allergnädigsten Befelche der Röm. Kayserl. Majestät von der Signora Camilla de Rossi Romana
Wien 1709: In der Hofburgkapelle herrschte ein derartiges Gedränge, dass sich die Zuhörer fast gegenseitig erdrückten, wie uns ein Zeitzeuge überliefert. Kaiser Josef I. und sein Hofstaat, dazu in- und ausländische hohe Gäste, erwarteten voll Neugier die Uraufführung eines neuen Oratoriums, welches der Kaiser persönlich in Auftrag gegeben hatte. Und der Komponist war – eine Frau.
Das Oratorium Il Figliuol Prodigo von Camilla de’ Rossi gehört zu den bisher ungehobenen Schätzen der Musik um 1700. Die aus Rom stammende Komponistin und Dichterin muss eine bemerkenswerte Persönlichkeit gewesen sein, da es ihr als einer der ganz wenigen Frauen im 18. Jahrhundert möglich war, große geistliche Werke zu schaffen. Sie schrieb zwischen 1707 und 1710 mindestens vier Oratorien auf Wunsch Kaiser Josefs I., die jeweils in der Fastenzeit in der Wiener Hofkapelle aufgeführt wurden. Über Rossis Leben und ihren künstlerischen Werdegang ist bisher trotz intensiver Forschungen wenig bekannt. Es wird vermutet, dass sie als Nonne in Wien lebte, sie könnte auch mit einem der Hofmusiker namens Rossi (Francesco, Wenzel u. a.) verwandt gewesen sein. Ihre Werke zeugen jedenfalls für ihre profunde musikalische und literarische Bildung. Sie war mit den aktuellsten venezianischen und römischen Kompositionsstilen vertraut, schrieb avancierte Partien für ungewöhnliche Instrumente und fand zu einer erstaunlich eigenständigen Tonsprache. Zu Il Figliuol Prodigo (Wien 1709) hat Rossi neben der Musik höchstwahrscheinlich auch das Textbuch verfasst, welches das berühmte Gleichnis vom verlorenen Sohn aus Lukas 15,11–32 theatralisch verarbeitet. Die Handlung beleuchtet dramatisch und psychologisch packend das Beziehungsgeflecht zwischen Vater, Mutter, verlorenem Sohn und seinem Bruder. In unseren Aufführungen wird das Geschehen mit barocker Bühnengestik in Szene gesetzt (Einstudierung: Christine Pollerus). Diese Gestik, die im Barock zur Grundausbildung der SängerInnen gehörte, ist historisch adäquat und berührt auch das heutige Publikum durch ihre lebendige Eleganz, damit die Darbietung Ohr und Auge erfreut. Für die orchestrale Gestaltung wird Musicke’s Pleasure Garden Graz/Basel unter der Leitung von Eva Maria Pollerus auf historischen Instrumenten sorgen.
Il Padre: Johannes Chum
La Madre: Anat Edri
Il Figliuol Prodigo: Flavio Ferri Benedetti
Il Fratello: Christine Pollerus
Un Musico: Florian Lienhart, Solist der Grazer Kapellknaben
Musicke's Pleasure Garden Graz/Basel
Violinen: Anaïs Chen, Sonoko Asabuki, Eva Saladin, German Echeverri Chamorro
Violen: Emmanuel Carron, Vitaliy Shestakov
Violoncello: Thomas Platzgummer
Kontrabass: Federico Abraham
Arciliuto: Sam Chapman
Cembalo: Eva Maria Pollerus
Künstlerische Leitung: Eva Maria Pollerus
Konzertmeisterin: Anaïs Chen
Barocke Bühnengestik: Christine Pollerus